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Mimi – das Buch

Sonntag, 6. September 2009, geschrieben von Mimi Müller

Wenn ich mich nun daran mache, Ihnen vor dem Hintergrund der vergangenen Wahl die Geschichte der Mimi Müller zu erzählen, sollten sie sich vorher noch etwas vergegenwärtigen: Die Geschichte der Macht und der Mächtigen ist auch immer eine Geschichte der Kunst und der Künstler. Zu allen Zeiten schmückten sich die Mächtigen (zu denen ich auch die Kirchen und ihre Vertreter rechne) mit Kunst und deren Produzenten. Und zu allen Zeiten schmückten Künstler die Mächtigen, die Wohlhabenden – und damit die einzigen, die für künstlerisches Talent zu zahlen in der Lage waren – und ihnen ein Auskommen sicherten. Was die Kunst und mit ihr die Künstler, die sie schufen, so begehrenswert für mächtige Menschen macht, ist an dieser Stelle nicht so wichtig, das wird sich im Verlaufe der Geschichte für Sie erschließen, wichtig zu wissen aber ist, dass Künstler zu allen Zeiten dadurch vor dem immergleichen Problem standen: Sie mussten sich mit denen gut stellen, die Werke in Auftrag gaben, kauften, oder ihnen eine Stellung gaben, die es ihnen erlaubte, künstlerisch tätig zu sein. Das ist natürlich ein hartes Brot für einen Freigeist, und Freigeister, dass sind wir alle, die von der Kunst Ergriffenen, von einer der Musen Geküssten. Nichts ist uns mehr zuwider, als unsere Kunst nicht in völliger Freiheit des Geistes grenzenlos ausleben, ihr, und damit auch uns, nicht einen tiefen Ausdruck verleihen zu können. Keine Sehnsucht ist tiefer im Menschen verwurzelt, als die Sehnsucht nach der Kunst – ein magisches Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der vollkommene Freiheit und des tief empfundenen Glückes. Der Ort der Wahrhaftigkeit. Xanadu. Und nun soll so ein solchermaßen von der Kunst ergriffener Freigeist Verkaufbares produzieren, soll Requiems schreiben, wenn ihm nach Hochzeitsmärschen ist, Komödien abliefern, wo sich vor seinen Augen doch Dramen abspielen, muß liefern, was gerade gefragt ist, muß er, der sich als Wolf versteht, sich entschließen, Hofhund zu werden, will er nicht seinen creativen Geist gänzlich aushauchen. Und zu allen Zeiten gab es die gleichen Möglichkeiten mit diesem Dilemma umzugehen:  Entweder man war voll und ganz “zu Diensten”, und tröstete sich damit, daß “Dienst” ja nicht “Knechtschaft” heißt und produzierte am laufenden Band. Eine andere Möglichkeit war, man arrangierte sich, und revanchierte sich zuweilen ganz humorvoll (van Dyk hatte mal einem Kirchenfürsten auf einem Bild einen fetten Geldsack an die Kutte gepinselt.  Diese süffisante Anspielung, die auch ein einfacher Mensch in jener Zeit verstanden hätte, blieb allerdings vom Auftraggeber nicht unbemerkt. Die pralle Börse jedenfalls wurde dann übermalt). Zuletzt bleibt noch nur noch die  dritte Möglichkeit: Er pfeifft drauf. Er macht auch weiterhin, was er will und wann er will, er stellt seine Fähigkeiten nur in den Dienst der Kunst, die ihn ergriffen – und lehnt alles ab, was ihr und ihm nicht zuträglich ist. Niemandes Diener, keines Herren Knecht. Punktum:  Sein Leben wird zu einem radikalen Experiment. Ein solches Leben ist natürlich nicht jedermanns Sache. So nimmt es nicht wunder, daß diese eigenwilligen Kunstauffassung- und Ausübung, die von jeher die  “Brotlose” genannt wird, immer deutlich weniger Zulauf hatte. Von vielen dieser Künstler vergangener Zeiten wissen wir nichts, vermutlich, weil sie verhungert sind, aber ein paar haben Hunger, Krankheit, Krieg oder Gefängnis doch überlebt und haben uns wunderbare Werke hinterlassen. Andere haben es zumindest posthum noch zu Ansehen gebracht. Und wieder andere, und das ist noch gar nicht so lange her, gaben ihr Leben für die Kunst. Von ihnen ist uns nicht viel geblieben. Ihre Bücher wurden verbrannt, ihre Bilder, ihre Skulpturen zerstört, ihre Musik, ihre Tänze verboten. Und dann sind da noch all die Bilder, die sie nicht malen konnten, die Bücher, die nicht mehr geschrieben wurden, die Stimmen, die verstummten.  Ein furchtbarer Verlust… An sie, die Unbeugsamen, wollen wir uns erinnern, wenn wir die Künstler unserer Zeit betrachten.

Politik.  Kunst. Kirche.

Spannungsfelder.

Mittendrin: Der  Mensch.

Soweit der Prolog. Nun  erzähle ich, Ellen Welschen, Ihnen mal die Geschichte der Mimi Müller.  Die ganze Geschichte.