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Von der mißbräuchlichen Verwendung der Worte.

Montag, 23. August 2010, geschrieben von Mimi Müller

Das habe ich auch noch nicht erlebt.

Da wird doch tatsächlich in der “Rheinischen Post” das Wort zum Sonntag noch einmal nacherzählt! Das ist schon doll…

Und auch die Autorin geht hin und nimmt selbst auch noch einmal ganz ausdrücklich Bezug auf Johannes 8,  “Jesus und die Ehebrecherin”. Da das jetzt schon zum dritten Mal geschieht, komme ich nicht umhin, mich einmal damit ausführlich zu befassen. Das kann man ja jetzt nicht noch ein weiteres Mal hinnehmen.

Eine wesentliche Textstelle, auf den sich beide beziehen,  Original wie die propagandistische Aufbereitung,  ist diese hier,  Zitat:

“Jesus habe keinesfalls verharmlost, was geschehen sei. “Er spricht die Frau direkt darauf an. Aber er tut es erst, nachdem die Hetzjagd auf sie zu Ende ist. Das ist der entscheidende Punkt. Er lässt sich nicht hinreißen von der Wut der anderen, sondern schaut nüchtern und menschlich auf das, was war.” Dies ist das Modell, das der Essener Pastor den Menschen nach dieser Katastrophe anbietet, denn “dieses fast schon reflexartige ‘Von sich selbst ablenken und auf andere zeigen’, ohne einen Moment der Nachdenklichkeit, geschweige denn der Selbstbesinnung: das befremdet mich doch sehr”.

Mich befremdet hier sehr, wie hier von allen Dreien (Autorin, Pfarrer, und auch Herrn Wörmann von der KAB), mit der Bibel umgegangen wird.

Liest man sich die entsprechende Stelle durch, wird man feststellen, daß da überhaupt keine wütende Menge ist, die beruhigt werden müsste.

Jesus kommt morgens,  nach dem er auf dem Ölberg war,  in den Tempel, und dann kommen Menschen (”alles Volk kam zu ihm”) und er lehrte sie. Lehrte sie seine Sicht der Dinge – die allerdings von denen der damaligen “Amtskirche” nicht geteilt wurde.  Die sah in ihnen und ihm eine Bedrohung ihrer Stellung. Aber das Volk hört ihm zu,  der Zulauf war immer größer geworden. Und so sitzen sie auch an jenem Morgen zusammen.

Dann kommen  “Schriftgelehrte und Pharisäer” ( die Amtskirche)  und brachten die Frau zu ihm,  redeten ihm von Ehebruch und einem Gebot Mose hierzu.  Steinigung.  Sie fragten ihn:  “Was sagst Du dazu.”
” Das sprachen Sie aber, ihn zu versuchen, auf daß sie eine Sache wider ihn hätten.”

Wohlbemerkt: da tobte kein Mob! Keine Rede von einer Hetzjagd.  Der Sachverhalt ist ein vollständig anderer:  Christus wird seitens der “Amtskirche” eine Falle gestellt, man hofft, ihn zu einer Antwort zu bewegen, auf Grund der man ihn – endlich – “ans Kreuz schlagen kann”. Man hatte schon mehrfach versucht, ihn irgendwie zu justitiablen Aussagen zu bringen, gelungen war es nie. Heute unternahm man also wieder einen Anlauf. Irgendwie musste der Kerl doch mal zu kriegen, mindestens aber , irgendwie öffentlich zu diskreditieren sein. Immerhin litt das eigene Ansehen schon ganz gewaltig, wenn der so weiter machen würde, dann käme noch die eigene Macht ins wanken. Das konnte man dem auf gar keinen Fall durchgehenlassen. Der  Kerl musste weg …

Mitten hinein also in eine friedliche VolksVersammlung, treten nun ein paar Klugscheisser,  die sich schon recht lange der Gebote und seiner Auslegung “bemächtigt” hatten,  die für sich  “Alleinvertretungsrecht” Gottes  ableiteten – und deren Position beim Volk bedroht war.

Und einmal mehr lässt Christus diese ganze Bande,  vor den Augen der Bevölkerung abblitzen. Er richtet sich an die Pharisäer !!! ( nicht an das Volk!!!) und spricht die Worte, die derzeit so gerne aus ihrem Zusammenhang gerissen – und in einen völlig andren gestellt werden.  “Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.” Er sagt das zu den Pharisäern, nicht zum Volk,  das nach wie vor nur stummer Zeuge dieser Szene ist – und nach wie vor lernt.  Und diesem Volk, das da sitzt, den Menschen,  sind die Gesetze Mose ja nicht unvertraut, die Menschen wissen ganz genau, um was es geht, denn sie leben ja in dieser Zeit und kennen ihren eigenen zeitgeschichtlichen Kontext.  Sie wissen, was Christus nun anspricht: den Scheidebrief! Wow! Welch eine Wendung.  Ein Scheidebrief, der entsprechen einem anderen Gebot Mose (ich denk es ist das fünfte Buch, 24) hätte ausgestellt werden müssen.  Er fragt nicht ausdrücklich danach, er sagt nur:  Wer von Euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein. Und er wendet sich dabei ausschließlich an die Pharisäer – nicht an das Volk.

Heute würde an so einer Stelle ein Raunen durch die Menge gehen. Ein großartiger Schachzug eines großartigen Lehrers!  Wie ein Shaolin-Priester nimmt Jesus die gegen ihn gerichtete Energie und gibt sie postwendend zurück. Es bedarf dazu gar nicht mehr als eines Lächelns und einer die Angreifer entlarvenden Aufforderung:  Wer unter Euch ohne Sünde ist…

Und sie sind nicht ohne Sünde, das wissen alle genau, auch sie:  Sie verstießen ja zuerst gegen das Gebot Mose – und nur deshalb  konnte die Frau des Ehebruches überhaupt angeklagt werden:  weil sie, die Schriftgelehrten, die Pharisäer einen Rechtsverstoß begangen hatten….

Das war schon eine bemerkenswerte Lehrstunde die sich da vor den Augen des Volkes abspielte.  Entlarvend und beschämend für die Angreifer. Und ohne dass Jesus sie mit einem Wort selbst angeklagt hätte…

Und nach dieser brillianten Vorstellung sind dann alle ruhig gegangen. Es hatte sich ja auch jedes weitere Wort erübrigt…

Davon ist natürlich nicht die Rede, bei den Christenmenschen, die sich jetzt auf das Evangelium berufen. Da ist der Amtskirche heute nach wie vor nicht an Aufklärung gelegen. Das Wort  “Scheidung” ist ja ohnehin für die katholische Kirche kein Thema. Aus dem Sprachschatz gestrichen. Ehebruch, ja, der kommt vor, und wie der vorkommt, wenn man Menschen zu Sündern abstempeln will.  Auch das Wort “Steinigung” ist, gleichnishaft verwendet, offenbar durchaus noch gebräuchlich.  Immernoch, wie durch alle Jahrtausende, wird amtskirchlicherseits nicht dazu beigetragen, den Menschen den Hintergrund zu vermitteln, den sie brauchen, um wahrhaftig den Geist Gottes in seinem Wirken und Wollen zu sehen und  verstehen zu können.  Und genau wie von den damaligen Schriftgelehrten und Pharisäern wird auch heute beliebig mit Zitaten und Geboten jongliert, werden Christi Worte aus Zusammenhängen gerissen – und in völlig unangebrachter Weise rezitiert.

Es ist mir völlig gleichgültig, ob das heutzutage unbedacht oder wissentlich und vorsätzlich geschieht.  In den vergangenen Jahrtausenden allerdings, das wissen wir heute, geschah das vorsätzlich. Die Menschen wurden “dumm” gehalten, die “Deutungshoheit” über Gott, sein Wort, seinen Geist wollte man nicht hergeben. Aus den gleichen Motiven, die Schriftgelehrte und Pharisäer schon trieben.

Mir ist heute nur eines wichtig:  Das das aufhört. Wer sich auf das Wort Gottes bezieht, der hat das mit der gebotenen Sorgfalt zu tun. Kyrie eleison.